Vierzehnte Woche: Letzte Woche bis Toronto

Chicago - Toronto 1119 Kilometer / 3329 Höhenmeter

23. September 2022

Mein vorerst letzter Bericht hat ein bisschen auf sich warten lassen. Doch eine Woche nach meiner Ankunft in Toronto konnte ich Martin die letzten Informationen schicken, damit die Tour nun auch auf meiner Webseite ein Ende findet. Die Tourwochen sind auch zuletzt etwas  länger geworden, weil es thematisch besser gepasst hat. So erstreckt sich dieser Bericht auch insgesamt über neun Tourtage, die durchaus nicht leicht waren. Das Wetter war nicht besonders gut und die Strecke führte mich oftmals durch die vielen Städte in der Region. Das ist fast anstrengender zu fahren, als in den Bergen. Im Anschluss findet ihr ein kleines Video und eine Zusammenfassung der letzten Tourwoche.

Ich versuchte den Tag in Chicago so gut es ging zu genießen, aber solch eine Metropole mit dem Rad zu erkunden, ist nicht wirklich entspannend.Durch Zufall fand ich allerdings den Startpunkt der berühmten Route 66.  Am Nachmittag fuhr ich ostwärts, um aus der Stadt zu gelangen. Die Fahrt durch die endlosen Vororte war allerdings nicht wirklich besser. Kurz vor Lawrence fragte ich nach einer Unterkunft, die ich nach zwei Kilometern auch fand. Leider war das Camp geschlossen, doch ein paar nette Leute hielten an und organisierten mir einen Schlafplatz bei Freunden.

Am nächsten Morgen war das Zelt pitschnass. Ich hoffte, dass das Wetter mitspielt, denn ich hatte vor täglich etwa 150 Kilometer zu fahren, um rechtzeitig in Toronto anzukommen. Es ging vorwärts auf dem Highway 6 und obwohl der Wind mir nicht wirklich half, ging es gut voran. Ich kam durch einige hübsche Ortschaften durch, in denen die Menschen teilweise noch mit Kutschen fuhren. Die Amish People haben hier in Illinois eine große Verbreitung und ihre Lebensweise fällt einem sofort ins Auge. Der Cottenwood Campground war zwar ein bisschen heruntergekommen, aber für meine Ansprüche genügend und kostete nur 20 Dollar.

Am Morgen ging es dann früh raus und immer weiter auf dem Highway 6. Den ganzen Tag über war viel Verkehr. Kurios war, dass auch ganze Häuser transportiert wurden und das nicht nur einmal. Ich hatte mir für den Tag richtig viel vorgenommen und war am frühen Nachmittag in Napoleon schon bei 130 Kilometern. Meine Schmerzen in der Kniekehle machten mir aber einen Strich durch die Rechnung und ich musste mir nach 180 Kilometern eine Bleibe suchen. Ein kleines Motel kam da genau richtig, doch leider gab es bei der nahegelegenen Tankstelle kein Bier. Sie verkauften dort lieber Energiedrinks, die sind nichts für mich.

Es gibt auch ältere Gebäude

Nach einer etwas längeren Nacht war ich wieder ein bisschen erholt und machte mich erst um acht Uhr auf den Weg nach Osten. Ich folgte dem Highway 6 für eine Weile, doch beschloss schon bald eine Nebenstraße zu nehmen, die für mich keinen Umweg bedeutete, aber deutlich ruhiger war. Ich hatte zwar wieder keinen Rückenwind, aber die Leute waren super freundlich auf diesem Teilstück. Alle wollten wissen wo ich herkomme und wo ich hinfahre. So war es auch bei Mel aus Ohio, den ich bei einem Afternoon Bier traf. Er feierte Geburtstag und ist auch gerne mit dem Rad unterwegs. In dieser Gegend gab es auch mal andere Früchte. Kürbisse und Äpfel waren zu sehen und vieles mehr. An einem kleinen Stand deckte ich mich mit Paprika und Tomaten ein. Meine Kniekehle machten mir an diesem Tag zum Glück keine Probleme und so kam ich gut gelaunt in West Lake an. Bei einem Cheeseburger in der Bar wurde ich von Joe und Chip angesprochen, die mich prompt zu Joe einluden, wo ich mein Zelt aufstellen durfte. Beim Lagerfeuer wurde dann ein wenig geflucht. Joe machte sich die ganze Zeit über die europäischen Maßeinheiten her. „FU….. Millimeter“ und „FU….. Kilometer“ schallte es ein paarmal aus ihm heraus und trotzdem war es ein angenehmer Abend.

Am Morgen durfte ich mich bei Joe noch frischmachen und nach einem Kaffee ging es dann los. Doch es sollte ein anstrengender Tag werden. Nach einigen Kilometer ging es los. Ein Nest reihte sich an das andere, mit Geschäften und roten Ampeln ohne Ende. Letztere ignorierte ich irgendwann, zumindest wenn kein Querverkehr kam. Der Großraum um Cleveland war eine Qual und ich versuchte so schnell hindurch zu kommen, wie nur irgend möglich war. Nach 60 Kilometern Stadt kam ich besser voran, aber ich schaffte es nicht ganz bis zum Lake Erie und musste in Kingsville Halt machen. Noch zwei Tagesetappe trennten mich von den Niagara Fällen. Nach dem Tag begann meine Vorfreude auf den bevorstehenden Urlaub mit Lena stetig zu wachsen.

Typische Großstadt, Cleveland

Im Nieselregen für ich am nächsten Morgen zum Lake Erie. Nach einem Kaffee an der ersten Tankstelle, was sich bei mir so einbürgert hatte, kam ich am See an, wobei das Wetter auch an der Küstenstraße nicht besser werden wollte. Im hiesigen Weingebiet schaute ich auch mal  bei einer Winzerei vorbei, um zu sehen ob die das anders machen, als wir in Rheinhessen. Nach 100 Kilometern war allerdings total kaputt. Da kam mir eine weitere Tankstelle gerade recht. Ein Kaffee, eine kurze Pause und plötzlich lief es wieder. Dreißig Kilometer weiter hatte ich den geplanten State Park erreicht, wo ich nette Nachbarn vorfand. Sogar in Bezug auf Donald Trump waren wir einer Meinung.

Am Tag darauf regnete es wieder wie verrückt. Nach einem kurzen Stück war mein Zuflucht wieder bei Tim Horton´s. Zum Glück war 100 Meter weiter die Wäscherei und so machte die Pause doppelt Sinn. Danach ging es weiter und diesmal mit Rückenwind. Was für ein Unterschied, doch ich musste mich dennoch sputen. Dann fuhr ich wieder durch eine Großstadt, Buffalo. Aber diesmal war es etwas angenehmer, da die Stadt einige Parks hat, durch die ich fahren konnte. Bevor ich zum Campground auf einer kleinen Insel kam, war ich noch in einem 7 Eleven, um ein paar Bier zu kaufen. Doch die Dame wollte sie mir nicht verkaufen, da sie meinen Pass nicht an der Kasse einscannen konnte. Tja, da ist man schon 62 Jahre alt und darf hier noch nichtmal ein Bier kaufen. Sachen gibt’s. Zum Glück half mir ein viele Jahre jüngerer Mann und hielt seinen Ausweis für mich hin. So kam ich doch noch zu meinem Feierabendbier. Leider hatte das Campground Office schon zu. Dabei wollte ich am nächsten Morgen früh raus, um zeitig bei den Niagara Fällen zu sein.

Dank ihm durfte ich Bier kaufen

Ich hatte es schon geahnt, dass sich das rächen wird. Am nächsten Morgen kam ich erst spät weg und hatte an den Niagara Fällen keine Sonne. Naja, ich werde ja noch ein zweites Mal mit Lena vorbeifahren, dann auf der kanadischen Seite. Das Ziel rückte immer näher und so verbrachte ich nicht zu viel Zeit bei den imposanten Wasserfällen. Für die Überfahrt nach Kanada wollten die Amis einen Dollar Brückenzoll, doch bei der Einreise bekam ich keine Probleme. Auf der kanadischen Seite fuhr ich zwar nicht mehr auf dem Highway, dafür ging es durch eine schöne Weingegend. Am Abend war in Grimsby ein großes Bikertreffen und ich fuhr ohne Motor auch auf zwei Rädern noch ein bisschen weiter. Zum übernachten wählte ich eine kleine Bank. Mein Zelt wollte ich nicht aufschlagen, da ab  und an Autos vorbeifuhren.

Die Niagara Fälle

Der letzte Tourtag begrüßte mich mit einem tollen Sonnenaufgang und super Wetter. Ich konnte die letzten 60 Kilometer, die ich auf einem Trail am Ufer entlangfuhr, wirklich genießen. Bei einem Frühstücksstopp kam es zu einer kuriosen Unterhaltung. Ich wurde gefragt, „Where are you going?“ und antwortete „To Toronto“ . Ein kurzes „o.k.“ deutete darauf hin, dass dies nichts besonderes ist. Dann wurde ich gefragt, „Where did you start?“. Wieder antwortete ich wahrheitsgemäß und die Reaktion war ein, „Oh, my God!“ Auf dem letzten Teilstück bis zu meinem Ziel vor der Skyline von Toronto begleiteten mich noch zwei Radfahrer, die dann auch mit mir feierten, als ich es endlich geschafft hatte. Nach 9758 Kilometern und 61954 Höhenmetern, in ein bisschen mehr als 14 Wochen, war ich in Toronto.

Endlich am Ziel
In den Häuserschluchten

Nun ist die Tour vorüber, auf die ich so viele Jahre hingefiebert hatte. Es war das erwartete einmalige Erlebnis mit Überraschungen positiver, wie auch negativer Natur. Die vielen Pannen, das Wetter oder mein Gewichtsverlust haben mir schon ganzschön zugesetzt, allerdings sorgten viele Probleme dafür, dass ich mit unfassbar hilfsbereiten Menschen in Kontakt kam, ohne deren Bekanntschaft diese Tourerfahrung für mich wesentlich ärmer wäre. Aus diesem Grund möchte ich mich bei allen Bedanken, die mich auf meinen Weg unterstützt haben, aber auch bei denen, die meine Reise nur verfolgten und auf diesem Wege ein bisschen mitreisen konnten. Ich freue mich jetzt auf meinen Urlaub mit Lena und sende die besten Grüße aus Kanada, bis es wieder heißt:

„Schulz onTour“

Euer Stefan

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